20 Jahre CASHLESS-MÜNCHEN

Als Finanzbildung in München laufen lernte

Cashless-München gibt es seit 20 Jahren, ebenso lang wie Facebook. Beide wirken sich auf das Shoppingverhalten von jungen Menschen aus – allerdings diametral entgegengesetzt. Auch wenn heute Klingelton-Abos kein Thema mehr sind: Überschuldung ist es nach wie vor.

Im Jahr 2004 ist Gerhard Schröder im vorletzten Jahr seiner Kanzlerschaft, die UGG Boots sind in Europa auf dem Vormarsch, „Junge mit Pfeife“ von Picasso wird für 104 Millionen Dollar versteigert und zwei Projekte – ein kommerzielles und ein gemeinnütziges – nehmen ihre Arbeit auf: Facebook und Cashless-München. Während Facebook inzwischen bei den Jüngeren als veraltet und uncool gilt, ist Cashless-München unvermindert ein  wichtiger Baustein im Präventionskonzept Überschuldung der Landeshauptstadt München.

Der Vergleich von Cashless-München und Facebook mag hinken, allein was die Nutzer*innenzahlen 2023 angeht: gezählte 3999 Teilnehmer*innen hier versus gut drei Milliarden monatlich aktive Nutzer*innen dort. Aber in gewissem Sinn sind die beiden diametral verquickt: hier Prävention gegen Datenmissbrauch, dort intensives Sammeln von Daten für personalisierte Werbung; hier laut Eigendarstellung von Cashless-München „ein frischer Fluss an Finanzinformationen“ und Finanzbildung, die auf den Punkt kommt, dort „eine Flut von Giftschlamm“, so Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa, und mitunter gezielt gestreute Falschinformationen.

Das Münchner Präventionsprojekt Jugendschulden wurde 2004 gegründet, nachdem eine Studie des Ausbildungs- und Zukunftsbüros Azuro bestätigte, was insbesondere Berufsschulsozialarbeiter*innen schon vermutet hatten: Azubis in München sind deutlich gefährdet, sich kritisch zu verschulden.
Damals beschloss der Stadtrat, die kommunale Überschuldungsprävention konzeptionell und finanziell auf tragfähige Beine zu stellen. Mit Cashless-München wurde die bayerische Landeshauptstadt bundesweit der erste Standort mit reiner Schwerpunktsetzung auf ökonomische Grundbildung und Überschuldungsprävention für jüngere Zielgruppen.

Seitdem klären die Mitarbeitenden zu Shopping und Überschuldung auf und zum cleverere Einsatz des eigenen Budgets. Der Fokus liegt auf der Arbeit mit Gruppen an Berufs-, Mittel- und Grundschulen sowie in Einrichtungen wie betreutem Wohnen, Jugendarrest oder Einrichtungen für junge Geflüchtete. Junge Menschen, die in den Präventionsveranstaltungen auf eigenen Stress mit Schulden hinweisen, können in die Jugendschuldnerberatung der AWO vermittelt werden.

Die Themen in der Arbeit von Cashless-München haben sich über die Jahre verändert, grundlegende Phänomene bestehen jedoch überwiegend fort. Dazu gehören die stetig steigenden Lebenshaltungskosten in München (Wohnkosten!), das Bestreben junger Menschen, auf eigenen Beinen zu stehen (heutzutage erschwert) und die Ausprägungen kommerzieller Lifestyles. Was einst das Jamba-Klingelton-Abo war, ist heute der beträchtliche Minusstand in der Klarna-App. Heute erleben wir in den Klassenräumen eine bunte Mischung aus verschiedenen Typologien: der smarte Trader, die konsequente Sparerin, der markenaffine Fitnessfan, die in Finanzdingen unbedarfte Lebefrau, der verschuldete Partyfreak und viele mehr.
Die Herausforderung für passgenaue Präventionsarbeit besteht darin, Inhalte für die heterogenen Gruppen zu präsentieren, die mit ihrem individuellen Alltag zu tun haben und „just in time“ auf materielle Herausforderungen
aus dem Leben der Einzelnen einzugehen.

So greifen die Cashless-München Mitarbeiter*innen in den Präventionsveranstaltungen aktuelle Finanztrends auf und thematisieren die Risiken, die in der leichtfertigen Nutzung von „buy now pay later“-Angeboten bestehen. Sie zeigen beispielsweise einen Tik-Tok-Clip, in dem eine Betroffene von ihren Klarna- Schulden berichtet, dann probieren die Teilnehmenden Cash Stuffing, die angesagte Methode zur Budgeteinteilung, direkt aus. Damit erreichen wir Schüler*innen in ihrer Lebenswelt, sensibilisieren sie für die Thematik kritischer Verschuldung und leiten sie ganz praktisch an, ihr Budget vorausschauend zu planen.

Auch wenn sich Themen der Überschuldungsprävention ändern, sind die Arbeitsgrundsätze für Cashless-München beständig: das kostenfreie Angebot, unabhängig von kommerziellen Finanzakteur*innen, Orientierung an der jungen Zielgruppe und kein erhobener Zeigefinger, der allzu oft die Bereitschaft der Teilnehmenden zur Mitarbeit mindert. Während Facebook die Nutzer*innen davonlaufen, kann sich Cashless-München seit 20 Jahren im Arbeitsfeld behaupten und das Motto des Präventionsprojekts Jugendschulden promoten: Stressfrei bleiben, möglichst ohne Schulden!“

Arne Füller, Cashless-München

Das Team von Cashless-München:
Arne Füller, Rafaela Castillo und Ruth Pfeiffer (v.l.n.r.)