
Kurz nach der Eröffnung 1971 stand der heutige Abenteuerspielplatz ABIX in Flammen, vermutlich Brandstiftung. Das konnte dieses bayernweit einmalige Projekt nicht stoppen. 50 Jahre später brennt immer noch die Begeisterung bei ABIX-Kindern und Team – und das Lagerfeuer
Am Anfang waren es nur ein paar Baracken und doch eine Revolution. Kein Wasser, kein Strom, keine Kanalisation, kein Zaun, keine Bäume. Dafür viel Matsch, alte Bretter, Reifen und Möbelteile. Und dennoch kam der Oberbürgermeister persönlich zur Eröffnung. Denn einen solchen Ort gab es in München, ja in ganz Bayern bis dahin nicht. Wo Kinder durften, was sonst verboten war: mit so gefährlichem Werkzeug wie Säge und Hammer hantieren und gar mit offenem Feuer spielen.
OB Hans-Jochen Vogel eröffnete diesen ersten Abenteuerspielplatz am 5. Oktober 1971 ganz offiziell. Der damals 45-jährige schwang sich auf die Seilbahn, die Zeitungen titelten „Vogel als Tarzan“. Ein Magazin schrieb bald vom „schönsten Spielplatz der Welt“. Für viele Anwohner war der Platz jedoch ein Schandfleck. Nach wenigen Monaten brannte er ab, „das waren die Nachbarn“, sagt Heinrich Quenzel. Der heute 89-jährige hatte die Idee der „Adventure Playgrounds“ mit seiner Frau Hilde aus London mitgebracht und hier im Hasenbergl Eltern, Schulrektor, Kirchengemeinde und letztlich auch OB Vogel überzeugt. Und sogar das Londoner Pädagogen-Paar nach München gelockt. Hilde Quenzel hatte den Bauarbeitern des Olympiaparks eine nicht mehr benötigte Baubaracke abgeschwatzt, nicht beim Bier, „ich hab mit ihnen Schnupftabak geschnupft“ – es war eines der Gebäude, das im Winter 71 brannte
Die 10.000 Mark Sachschaden waren ein Dämpfer. Aber hatten die Initiatoren, das Ehepaar Quenzel, danach Zweifel am Projekt? „Nein, das gab’s nie!“ sagt er bestimmt. Er sagt das jetzt, 50 Jahre und 10 Tage nach der Eröffnung genau auf diesem Platz, auf dem es immer noch brennt. Aber was brennt, das wird schnell klar, ist die Begeisterung der Kinder, des ABIX- Teams und natürlich immer wieder das Lagerfeuer. So auch an diesem Abend Mitte Oktober, an dem Leiterin Alexandra Kozak einen überschaubaren Kreis zur Feier des 50. Jubiläum begrüßt.
„Leider fällt unser Jubiläumsfest heute sehr viel kleiner aus, als wir es ursprünglich geplant hatten“ sagt sie und entschuldigt zugleich, dass von denen, die hier im Mittelpunkt stehen – den Kindern – heute nur wenige vertreten sind. Aber die Kontaktbeschränkungen lassen es nicht zu, es gab im Sommer deshalb schon ein eigenes Kinderfest. Und einige der treuesten Besucher*innen sind trotzdem da. Der 12-jährige Thommy zum Beispiel, der heute Abend das Programm vorstellt. Er erzählt von der schwierigen Corona-Zeit und dass sie sich zu Hause „echt gefetzt“ haben. Er ist froh, dass er jetzt wieder hierher kann.
Stadtrat Leo Agerer überbringt die Glückwünsche von Vogels Amtsnachfolger, OB Dieter Reiter. „Ihnen ist das hier sehr gut gelungen“, lobt er das Team. Und bietet jederzeit Hilfe bei Fragen, Anliegen und Nöten an. Für den KJR-Vorstand gratuliert Ozan Aykac zum 50-jährigen Bestehen und berichtet unter anderem von den Konflikten der 90er-Jahre, als die Container mit vorm Jugoslawien-Krieg geflüchteten Familien nebenan standen und es fast täglich Schlägereien gab. Und wie eine Ferienfreizeit und das gemeinsame Fußballtraining im „FC ABIX“ die verfeindeten Kindergruppen erst befriedete und dann befreundete. „Wie schön, wenn man Vorurteile aufbrechen kann“, sagt er. Dem Team überreicht er standesgemäß „gefährliche“ Geburtstagsgeschenke: einen Satz Schnitzmesser. Dann führen Kinder als Guides die Gäste über den Platz, vorbei am maßstabsgetreuen Christoph-Kolumbus-Schiff „Santa Maria“, das sie in fünf Jahren Arbeit gebaut haben.
Durch die Holzhütten, die sie hier für Null Euro Miete bewirtschaften und weiter ausbauen können. Zur Seilbahn, die es natürlich immer noch gibt. Und in die „Burg“, wo ein Film Impressionen aus 50 Jahren ABIX zeigt. Zwei junge Männer sitzen vor der Leinwand, als Bilder von den Jubiläumsvorbereitungen erscheinen, rufen sie „Da waren wir dabei!“ Beim Anlegen des Beetes etwa mit dem gepflanzten Schriftzug „50 Jahre ABIX“. Oder beim Gestalten des Selfie-Rahmens im Instagram-Design, in dem sich Gäste heute verewigen können.
Später, am Lagerfeuer stellt sich heraus: Die beiden waren bei fast allem hier dabei, der eine, Daniel, hat sogar die letzten drei Jahre in Folge den ABIX-Bauwettbewerb „Goldener Hammer“ gewonnen. Vor kurzem aber wurde er offiziell verabschiedet, mit 14 war er dem ABIX-Alter entwachsen. Der ABIX selbst wird bleiben. Die Nachbarn schätzen ihn längst – und erst Recht die 40.000 jungen Besucher*innen im Jahr.
Gecko Wagner, Öffentlichkeitsarbeit, KJR