Der Vorplatz des NS-Dokumentationszentrums, später Nachmittag: Die Sonne blitzt zwischen Wolken hindurch, es riecht nach Sommerregen. Auf dem Platz steht ein großes, buntes Zirkuszelt – Liegestühle und Bierbänke laden zum Verweilen ein. Es ist Sommer – also wieder Zeit für Sommer.dok.
Nach über zehn Jahren auf dem Königsplatz sind wir dieses Jahr umgezogen und haben unsere Werkstatt auf einen Tag begrenzt. Wir haben einmal mehr den Rahmen neu gedacht, um uns mit der NS-Geschichte und Erinnerungskultur auseinanderzusetzen.
Erinnerung lebt – das haben die Aktiven bewiesen, die sich dieses Jahr zusammengefunden haben, um das Programm des Sommer.dok zu gestalten. Das Thema, das wir gemeinsam erarbeitet haben, war relativ schnell gefunden:
Erinnerst du dich?!
Die Impulse dazu kamen von den Aktiven und aus ihren Jugendverbänden, von ihrer Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte und ihren Kontinuitäten, den rechten Attentaten nach 1945 wie auch aus der Wechselausstellung im NS-Dokumentationszentrum.
Für uns ist ein reflektierter und bewusster Umgang mit Geschichte und Erinnerung ein Kernelement der gemeinsamen Arbeit und des Sommer.dok. Wir wollten uns auch über Kontinuitäten Gedanken machen. Die Zeitzeug*innen werden weniger und damit wird der unmittelbare Zugang zur NS-Zeit schwerer. Wie kann die Betroffenheit spürbar werden? Was hat der Nationalsozialismus mit unserem Heute zu tun? Welche Handlungsaufträge wollen und müssen wir aus der Geschichte übernehmen? Diese Fragen begleiten uns im gesamten Prozess.
Am Ende ist die Pinnwand mit den Programmpunkten ein bisschen zu klein für all die Angebote.
Es gibt Workshops und eine Führung durch die Wechselausstellung im NS-Dokumentationszentrum, die sich mit dem Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos auseinandersetzt. Die Menschen können im Zelt einen Gedenkort für die Ermordeten des OEZ-Anschlags aufsuchen und sich eine Fotoausstellung von Schüler*innen anschauen, die Bilder der Gedenkstätte des KZ Dachau zeigt. Außerdem stehen in unserer „Lebendigen Bücherei“ Menschen für Gespräche zur Verfügung – dabei haben sie unterschiedliche persönliche Geschichten und Projekte rund ums Erinnern und Vergessen im Gepäck.
Wir setzen uns an diesem Tag mit unseren eigenen Erfahrungen und Erinnerungen mit Ausgrenzung und Rassismus auseinander. Ein Workshop beschäftigt sich mit biografischen Kontinuitäten über die NS-Zeit hinaus und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft. In der Ausstellung geht es um die Sicht der jüdischen Menschen im Warschauer Ghetto, um ihre überlieferte Perspektive auf das Leben im Ghetto, aber auch ihre Zeugnisse des Holocaust. Abends zeigt uns Robert Andreasch in seinem Vortrag eindrücklich, wie kontinuierlich in München rechter Hass zu Todesopfern führte.
Der Abend klingt langsam aus – Live Musik und das erleuchtete Zelt, die noch bis Mitternacht geöffnete Wechselausstellung und viele Gespräche runden den Tag ab.
Die Planung und Durchführung des Sommer.dok war für mich auf jeden Fall ein Highlight in meinem ersten Jahr – habe ich doch das Veranstaltungsformat vor über einem Jahrzehnt noch ehrenamtlich mit entworfen. Wir haben auch dieses Jahr wieder Neues gewagt und die Veranstaltung neu interpretiert. Die deutlich intensivere Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum war ein spannender und inspirierender Schritt. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht und wie die Zukunft des Sommer.dok aussieht.
Laura Pulz, Fachstelle Demokratische Jugendbildung