
Der Freizeittreff Au sollte saniert werden, er ist eine beliebte und gefragte Anlaufstelle für Teenager, Jugendliche und junge Erwachsene aber auch Anwohner*innen im Viertel. Jetzt erwägt die Stadt, die dringend notwendigen Baumaßnahmen zu stoppen. Um Kosten zu sparen, soll sogar über einen völlig neuen Standort nachgedacht werden, obwohl die Freizeitstätte seit ihrer Eröffnung 1966 am Kegelhof 8 „zu Hause“ ist.
Generationen von Jugendlichen haben hier schon ihr zweites Wohnzimmer gefunden, haben in dem Bau gespielt, gelernt, gefeiert, Freundschaften geschlossen, für ihre Bewerbung trainiert und ihre Freizeit verbracht, stets umsichtig begleitet von den Pädagog*innen des KJR.
Ob dieses Glück auch künftigen Generationen vergönnt sein wird, ist fraglich. „Die Suche nach einem neuen Standort und ein Neubau können Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern“, warnt KJR-Vorsitzende Judith Greil. Sie ist alarmiert, denn ob die jungen Leute in der Au den Freizeittreff so lange weiternutzen könnten, ist unklar. Greil befürchtet, dass Teenager, Jugendliche und junge Erwachsene ihren Treffpunkt im denkmalgeschützten Gebäude direkt am Auer Mühlbach verlieren. „Wir fordern die Stadt auf, Klarheit zu schaffen“, sagt Greil und zeigt sich über die städtische Informationspolitik irritiert.
Denn die von der Kämmerei vorgeschlagenen Sparmaßnahmen verstecken sich in ein paar dürren Zeilen der Sitzungsvorlage 20-26 / V 16159, die der Stadtrat am kommenden Mittwoch, den 30. April, beschließen soll. Darin heißt es: „Die denkmalgeschützte Jugendfreizeitstätte „Am Kegelhof“ verursacht Kosten, die weit über die eines Neubaus hinausgehen. Eine mögliche Verlagerung des Standortes könnte Einsparpotential schaffen.“ Mit anderen Worten: Es soll an anderer Stelle ein neues Haus gebaut oder zur Nutzung gefunden werden.
Besonders pikant: Der Stadtrat soll entscheiden, obwohl niemand der Betroffenen informiert, geschweige denn einbezogen wurde. Weder das Sozialreferat und damit das Stadtjugendamt, das für die städtischen Freizeitstätten zuständig ist, noch der KJR als Betreiber des Freizeittreffs, noch die Lokalpolitik im Bezirksausschuss (BA 5) Au-Haidhausen wussten Bescheid über die Sitzungsvorlage. Wie empört die BA-Mitglieder waren und dass sie vehement gegen die Vertagung oder gar Absage der Sanierung protestieren, war bereits in den Medien zu lesen.
Unstrittig ist, dass der bald 60 Jahre alte Bau des Freizeittreff Au für die Anforderungen von heute ertüchtigt werden muss. Ob Wärmedämmung, Fluchtwege, Elektrosanierung oder Barrierefreiheit, die Stadt plant bereits seit 2010 die Generalsanierung. Der Stadtrat hat 2023 den Projektauftrag beschlossen, die Genehmigungsplanung für die Lokalbaukommission ist erarbeitet, die Anforde-rungen von Denkmalschutz und Naturschutz sind erfüllt und alle für die Realisierung erforderlichen Vorarbeiten sind abgeschlossen. Schon im Herbst soll der Freizeittreff für die Dauer der Generalsanierung in ein Interimsquartier am Mariahilfplatz umziehen und so den Start der Sanierung Anfang 2026 ermöglichen.
Dieses bietet zwar eine vorübergehende Alternative mit vier Räumen, einem Büro und einer kleinen Küche. Ideal ist die Interims-Lösung aber nicht, da sie im Dachgeschoss liegt und nur über eine schmale Treppe zu erreichen ist. Auch steht nur ein Bruchteil der rund 540 qm im bisherigen Gebäude zur Verfügung. Etliche der bisherigen Angebote des Freizeittreff Au werden hier wegfallen müssen. Besonders jene, die viel Platz benötigen, etwa die Bewerbungstrainings, die bei Familien beliebte Nutzung der Räume für Kindergeburtstage oder der Sport, der bislang in der Halle des Freizeittreffs stattfindet. „Ob die Statik im Dachgeschoss überhaupt die bisherigen Besuchszahlen zulässt, ist noch nicht klar. Und selbst wenn: Die Räume sind ursprünglich für eine Beratungsstelle ausgelegt. Es gibt dort z.B. nur zwei Toiletten“, so Nicole Syr, Einrichtungsleitung des Freizeittreffs Au.
Für eine Übergangszeit nehmen die Besucher*innen sowie das Team vom Freizeittreff Au diese Einschränkungen gerne in Kauf. Denn nach Abschluss der Generalsanierung hätten sie nicht nur ein runderneuertes, modernes Haus, sondern auch mehr Platz. Und das ganz ohne Erweiterung des denkmalgeschützten Gebäudes. Derzeit dürfen sie die Räume im Untergeschoss nicht nutzen, weil eine zusätzliche Fluchttreppe fehlt. Diese sollte nun eingebaut werden, womit statt 540 Quadratmeter künftig knapp 630 zur Verfügung stünden – fast 100 Quadratmeter mehr. Zudem wäre die Einrichtung endlich barrierefrei und stünde dann wirklich allen jungen Menschen zur Verfügung.
Seit das benachbarte Areal der Paulaner-Brauerei mit Wohnungen bebaut wurde, sind Räume für junge Menschen im Stadtteil noch gefragter als bisher. Au/Haidhausen ist der zweitdichtest besiedelte Stadtteil in München. Raum und Freiraum für Jugendliche und junge Erwachsene sind hier kaum zu finden. Der Freizeittreff Au wird täglich genutzt: an sieben Tagen die Woche, von Dienstag bis Samstag ist das pädagogische Team vor Ort. Nach den Öffnungszeiten sowie am Sonntag und Montag öffnen geschulte, ältere Jugendliche den Freizeittreff im Rahmen von Selbstöffnungen eigenverantwortlich. Und auch Familien, Gruppen, Kindereinrichtungen und Initiativen im Viertel freuen sich darüber, hier Musikübungsräume oder Platz für Feiern, Tanz, Sport und Kultur zu finden. Allein im Jahr 2024 gab es 338 solcher Raumüberlassungen mit knapp 2.300 Nutzer*innen.
All dies stellt die Kämmerei mit ihrem Sparvorschlag nun zur Disposition. Dass damit langfristig wirklich Geld gespart wird, bezweifelt KJR-Vorsitzende Judith Greil. „Wer die Entwicklung der Baukosten verfolgt, muss nicht hellsehen können, um zu wissen, dass ein Neubau in zehn oder 15 Jahren deutlich mehr kosten wird als heute.“ Auch, dass die jahrelange Arbeit und damit alle Kosten für Planung und Genehmigungen für die Tonne gewesen sein sollen, kann sie nicht verstehen. „Ganz sicher würde nur eines „gespart“: Räume ohne Konsumzwang für junge Menschen in München, von denen es jetzt schon viel zu wenige gibt!“
„Der worst case wäre jedoch, dass der Freizeittreff ins Interimsquartier zieht und das Gebäude am Kegelhof trotzdem nicht saniert wird“, sagt Greil. Dann wäre der Freizeittreff Au, der seit bald 60 Jahren zum Viertel gehört, Geschichte. „Und mit ihm wären wertvolle Räume für Teenies, Jugendliche und junge Erwachsene auf lange Zeit verloren.“ Auch Nicole Syr ist überzeugt: „Dann könnten wir unsere bisherige Arbeit für junge Menschen nicht mehr leisten!“