(auf dem Pferd sitzend)
Michael besuchte das Spielhaus Sophienstraße von 1986 bis 1992.
Das „Spieli“ war für mich ein sozialer Anker
1986, mit 6 Jahren, war ich zum ersten Mal im Spieli – so nannten wir das Spielhaus Sophienstraße. Es gab übrigens auch noch das Freizi, das war die Freizeiteinrichtung für Ältere in der Luisenstraße.
Wir (meine Eltern und mein jüngerer Bruder) wohnten in direkter Nachbarschaft zum Spieli. Mein Vater war Chemielaborant und Hausmeister im „Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie“ und wir hatten im Institut unsere Wohnung. Unsere Freizeit verbrachten wir direkt vor der Haustür auf dem Spielplatz des Alten Botanischen Gartens, in dem auch das Spieli steht.
Alles hat jedoch leider einmal ein Ende – mit 12 Jahren hieß es für mich, Abschied nehmen vom Spieli, denn die Einrichtung ist nur für Kinder von 6 bis 12 Jahren gedacht. Ich war danach noch kurze Zeit im Freizi in der Luisenstraße, aber das war im Keller, dort war es dunkel und es gab vor allem keinen Garten und Spielplatz. Nein, das war nicht meins. Zudem kam ich nach und nach in die Pubertät und hatte dann andere Dinge im Kopf. Jedoch nutzte ich noch vorübergehend das jüngere Alter meines Bruders aus, um doch noch ein wenig Zeit im Spieli mit ihm zu verbringen.
Was ist mir vom Spieli in Erinnerung geblieben? Ganz ganz viel!!! Vor allem auch die Zauberei. Das mache ich heute noch ab und zu. Dieses Interesse hab ich auch an meine große Tochter weitergegeben. Das habe ich damals von Hermann in der Zaubergruppe gelernt. Hier haben wir uns einmal die Woche nach der offiziellen Spieli-Zeit noch zum Üben getroffen und hatten auch einige Auftritte.
Hermann war im Spieli der männliche Anker für uns Jungs (Fußball, Werken, Faltbootfahren). Mit Jutta haben wir gespielt und gebastelt, eintägige Radtouren ins Alpenvorland gemacht oder auch das Trimini in Kochel am See besucht. Tolle Erinnerungen habe ich auch noch an die Samstags-Ausflüge mit Sport-Bertl (Anmerkung Red.: KJR-Sportbeauftragter Engelbert Tiefenthaler), der das Spieli im Bereich Outdoor-Aktivitäten unterstützt. Mit ihm waren wir Schlauchbootfahren auf der Loisach, gingen klettern oder bastelten uns im Wald eine „Tarzan-Bahn“ (der heutige Flying-Fox).
Wir kraxelten angstfrei auf die großen Bäume im Alten Botanischen Garten – ich glaube, das wäre in der heutigen Zeit in Sachen Haftung etc. gar nicht mehr möglich. Wir spielten Canasta (mache ich heute noch), nahmen an Fußballturnieren teil und feierten unsere Geburtstage im Spielhaus. Ich habe auch einmal in einem Theaterstück mitgewirkt – in der Rolle als Hosenmatz – und stellte fest, dass Theaterspielen nicht meine Leidenschaft für Zaubern ersetzt
Ich erinnere mich auch noch gerne an das FIPS, das Fest im Park Sophienstraße. Zum ersten Mal fand es am 18. Juli 1987 statt (ich weiß das noch so genau, weil mein Bruder an diesem Tag geboren wurde). Der ganze Spielplatz im Alten Botanischen Garten war ein einziges großes Spieleparadies, u.a. mit einem riesigen Wasserbett, Spielbuden, Bastelstationen und sogar Ponyreiten. Hier hatten wir auch immer einen Zauberauftritt.
Das Spieli war damals eine der ersten Einrichtungen, die an einem Projekt zur digitalen Jugendarbeit teilnahm. In einem Chatraum haben wir uns mit anderen Kindern ausgetauscht und fanden das ganz großartig. Das, was heute für alle Kids am Handy selbstverständlich ist, war für uns damals total spannend.
Regelmäßig fand eine Hausversammlung statt, bei der u.a. überlegt wurde, welche Spiele angeschafft werden sollen und welche Aktivitäten wir machen wollen. Wir bekamen dann Geld, gingen zum Hertie (den gibt’s heute nicht mehr), kauften das Spiel und legten dann der Jutta die Rechnung vor. Wir haben auch andere wichtige Aufgaben übernommen, z.B. das Kopieren vom Programm im nahe gelegenen Copy-Shop. Dies war ein guter Grundstein für weitere Selbständigkeit.
Neben einigen Praktikanten waren unsere Hauptansprechpartner Jutta und Hermann. Generell war das Spieli für mich ein sozialer Anker – auch als meine Eltern sich getrennt haben und meine Mutter nicht mehr da war. Ich wusste, wenn ich will, kann ich alles, was mir auf der Seele liegt, hier loswerden.
Eine schlimme Erfahrung für mich war, als ich einmal für 14 Tage Hausverbot erhielt. Ich hatte mit einem Jungen eine Rangelei und Gewalt wurde im Spielhaus nicht toleriert.
Auch mein Vater und mein Bruder waren dem Spieli verbunden. Als ich mit meiner Familie 1992 in den USA war, lag im Hotel ein Fax von Jutta für uns bereit, in dem sie uns einen schönen Aufenthalt wünschte und uns noch einige Sightseeing-Tipps gab. Als ich nach dem Tod meines Vaters seine Unterlagen sichtete, entdeckte ich dieses Fax wieder, fein säuberlich abgeheftet. Auch ihm scheint diese tolle Geste viel bedeutet zu haben.
Inzwischen bin ich verheiratet, habe zwei Töchter und bin im Vertrieb eines Autohauses tätig. Ich bin begeisterter Jogger und lief 2019 den Berlin-Marathon mit, immerhin in einer Zeit unter vier Stunden J
Eine große Freundschaft aus der alten Spieli-Zeit hält bis heute an. Die mit Ramona. Wir sehen uns regelmäßig und unsere Kinder sind inzwischen auch befreundet.
Ich habe mit Jutta, mit der ich noch regelmäßig Kontakt habe, schon vereinbart, dass ich mal einen Nachmittag auf dem Dachboden vom Spieli verbringen darf, um die vielen Fotoalben von 1986 bis 1992 (meiner Spielhaus-Zeit) in Ruhe anzuschauen und in Erinnerung zu schwelgen. Denn es gibt in der aktuellen digitalen Welt nichts Schöneres als in alten Fotoalben zu blättern.