Nach den Konflikten vom Wochenende wird wieder über ein Alkoholverbot im Englischen Garten diskutiert. Dabei soll es jedoch nur um mitgebrachte Getränke gehen, die Gastronomie soll nicht betroffen sein. „Das bedeutet, dass ein Feierabendbier mit Freunden im Englischen Garten künftig nur noch für die möglich ist, die sich teure Münchner Restaurantpreise leisten können“, kritisiert die Vorsitzende des Kreisjugendring München-Stadt (KJR), Judith Greil. „Und es bedeutet noch weniger Freiräume für junge Menschen in München!“ Greil hält dies für den falschen Weg. „In der angespannten Situation müssen wir Freiräume und Verständnis schaffen statt Verbote, die vor allem junge Menschen treffen“.
Denn für Jugendliche und junge Erwachsene steht das Leben seit über einem Jahr still. In einer Lebensphase, die sonst davon geprägt ist, Neues auszuprobieren, sich zu orientieren und selbständig zu werden, verbringen sie den Großteil ihrer Zeit im (Kinder)Zimmer der elterlichen Wohnung, beim Homeschooling oder im dritten Online-Semester an der Uni. Auch Treffen mit Freundinnen und Freunden waren aufgrund der Kontaktbeschränkungen häufig nur online möglich. „So ist es nur verständlich, dass sie verstärkt im öffentlichen Raum Platz suchen“, so Greil.
Zuletzt konnten sich die Münchnerinnen und Münchner bei sinkenden Inzidenzzahlen und steigenden Außentemperaturen über Lockerungen und erste Restaurant- und Biergartenbesuche freuen. Bei vielen kam auch die Freude über ihren ersten oder sogar schon zweiten Impftermin hinzu, jedenfalls bei den Erwachsenen. Die Jüngeren hingegen können sich Restaurant und Biergarten oft nicht leisten und müssen noch lange auf ihre Impfung warten.
Junge Menschen haben sich in der Krise bislang sehr solidarisch verhalten. Sie haben die Kontaktbeschränkungen und Einschnitte ins Privatleben akzeptiert, um ältere oder erkrankte Mitmenschen zu schützen. „Jetzt verdienen auch sie unsere Solidarität“, sagt KJR-Vorsitzende Greil. „Auch die Jugend braucht endlich eine Perspektive und mehr Freiräume und Rückzugsorte, an denen sie sich treffen und auch mal zusammen ein Bier trinken kann.“ Dass ihre berechtigten Bedürfnisse und Interessen von politischen Entscheidungsträgern lange ignoriert wurden, äußert sich nun verstärkt im kompletten Rückzug, in psychischen Problemen und vereinzelt auch in heftigen Konflikten wie am Wochenende. Da Orte wie Jugendzentren, Jugendverbände oder Sportvereine bis vor kurzen geschlossen waren oder nur online oder sehr eingeschränkte Angebote machen konnten, fehlten sie als Treffpunkte. „Und auch jetzt sind sie nur begrenzt nutzbar“, erklärt Greil.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum gab es in einer dicht besiedelten Stadt wie München schon vor der Pandemie. „Diese lassen sich nicht durch Verbote auflösen, sondern indem wir mehr Freiräume ermöglichen“, fordert Greil. „Wir müssen auch das allparteiliche Konfliktmanagement (AKIM) stärken und gegenseitig mehr Verständnis füreinander haben.“
Der Kreisjugendring will nicht dem Alkoholkonsum das Wort reden. „Aber niemand nimmt Anstoß daran, wenn 17- oder 21-Jährige im Biergarten eine Maß trinken“, sagt Greil. Der Preis dafür liege nahe an zehn Euro. „Wenn sie sich aber hundert Meter weiter auf die Wiese setzen und zwei Flaschen Bier trinken wollen, soll das verboten sein? Das kann es nicht sein“, sagt sie.
Keine Missverständnisse will Greil auch in der Bewertung der Vorfälle vom Wochenende aufkommen lassen: „Wir verurteilen ganz klar die Gewalt gegen die Einsatzkräfte der Polizei!“, erklärt die KJR-Vorsitzende. „Gleichzeitig wehren wir uns gegen den Generalverdacht, junge Menschen würden nach Alkoholgenuss gewalttätig gegen die Polizei losgehen.“ Die aktuelle Diskussion und die geplanten Verbote signalisierten jungen Menschen, dass sie nicht willkommen seien. „Aber München ist auch ihre Stadt und wir müssen ihnen Platz einräumen.“
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Bilder der KJR-Vorsitzenden Judith Greil sind auf Anfrage verfügbar und zur Veröffentlichung im Zusammenhang mit dieser Pressemeldung freigegeben.
Fotocredits: © Kerstin Groh