Doch auch bei der jungen Generation machte sich zuletzt digitale Ermüdung bemerkbar. Und die Jüngsten waren von vornherein virtuell kaum zu erreichen.
Daher sind die Freizeitstätten schon in der Schließungszeit behutsam wieder zum „echten“ Kontakt übergegangen. Mit Abstand, Schutzmasken und viel Desinfektion. In die Häuser selbst durften Kinder und Jugendliche zwar nicht hinein. Aber wie schon bei ihrer digitalen Offensive zu Beginn der Pandemie beweisen die pädagogischen Teams enormen Einfallsreichtum – vom Kontakt über Plauderfenster, Beratungs-Spaziergänge und mit dem Spaten. 14 Beispiele aus dem gesamten Stadtgebiet, wie bisher schon ein sicherer Kontakt zu Kindern und Jugendlichen möglich ist, was die Freizeitstätten anbieten und was sie planen.
Zaunkunst am Abenteuerspielplatz
Die Münchner Abenteuerspielplätze geben seit geraumer Zeit quadratische Holzbretter aus. „Walk-in“ nennen sie die Aktion, bei denen Kinder das Material am Außengelände abholen können, um zu Hause darauf zu malen oder darauf zu schreiben, was sie derzeit denken und was ihnen wichtig ist. Das Ergebnis zeigt zum Beispiel der Abenteuerspielplatz (ASP) Neuhausen mit der wachsenden Ausstellung „Kunst am Zaun“. Daraus entsteht am Ende eine Skulptur als Gesamtkunstwerk.
Nicki Endrich vom ASP Neuhausen war vom Interesse überwältigt. „Beim ersten Mal kamen 50 Kinder!“, berichtet sie. Allerdings nicht nur wegen der Holzbretter und der vorbereiteten Bastelpäckchen, etwa zum Kreisel selber bauen, „die wir, um die Distanz zu wahren, mit dem Spaten ausgegeben haben“, sondern, weil sie einfach den Kontakt suchten.
Sie selbst war im Elchkostüm als Abstandswächterin im Einsatz, „das akzeptieren die Kinder viel mehr und es ist noch Spaß dabei“, erklärt sie. Auch viele Eltern haben die Gelegenheit zum „Zaunratsch“ genutzt. Dazu wurden Podeste platziert und außen ein zwei Meter großer Kreidekreis markiert.
Glücksrad in Milbertshofen
Auch im Tasso 33, dem Kinder- und Jugendtreff Milbertshofen, sind Zaungespräche sehr gefragt. Dabei muss sich niemand die Beine in den Bauch stehen, denn der Zaun ist lang genug für kleine Spaziergänge, sagt Pädagogin Mireen Ewald. Eine Besonderheit war die Kettcar-Tour durch Milbertshofen, bei der sie mit Kindern und Jugendlichen zwanglos in Kontakt kommen konnte. Das ist wichtig, weil Freizeitstätten oft ein zweites Zuhause für Jugendliche sind, hier können sie sich ohne Eltern oder Lehrkräfte bewegen und haben trotzdem kompetente Ansprechpersonen.
Die Kids kommen auch gerne vorbei, um sich echte Preise für virtuelle Rätsel abzuholen. Beim Tasso-Glücksrad wird immer mittwochs eine Zahl zwischen eins und 24 gezogen. Wer vorher online die richtige Zahl getippt hat, gewinnt einen Gutschein. Beliebt ist auch der „Drive-In-Ausleihschalter“, an dem sich Kinder und Jugendliche Spiele und Sportgeräte wie beispielsweise Inline-Skates, ausleihen können.
Moosach: Analoge Backmischung, online gebacken
Eine Drive-In-Station am Gartenzaun hat auch das Mooskito in der Leipziger Straße. Das Haus bietet seinen Jugendlichen unter anderem ein Quiz auf Instagram, als Preis können sich die Kids etwa Gutscheine für eine Moosacher Eisdiele abholen. Leiterin Karin Feige gibt auch mal selbst ein Eis aus oder auch eine fertig vorbereitete Backmischung. „Die wird dann später gemeinsam auf Jitsi live gebacken“, erklärt sie. Jitsi ist eine freie Videokonferenz-Software, die derzeit von vielen Jugendtreffs genutzt wird. Als Geschenk für die Pfingstferien werden derzeit Blumensamen ausgegeben. Aber eine Kollegin ist auch bewusst im Stadtteil an Spielplätzen und Treffpunkten unterwegs, um mit Kindern und Jugendlichen – auf Abstand und mit Maske – einen Plausch zu halten. So erfährt sie, wie es ihnen geht und ob sie Hilfestellungen benötigen, die Feige und ihr Team entweder selbst leisten oder vermitteln können.
Cosimapark: Backen mit Beratung
Das „Cosi“, der Jugendtreff am Cosimapark in Bogenhausen, bietet täglich an seinem Drive-In einen Spieleverleih. Kinder und Jugendliche holen sich am Cosi-Fenster Gesellschaftsspiele oder Spielkonsolen, natürlich alles mit Mundschutz und Sicherheitsabstand. Derzeit hat das Haus auch Laptops an Schüler verliehen, die sie für das Homeschooling benötigen. Mehrere Kinder und Jugendliche kommen derzeit täglich, um sich die Unterlagen für ihren Schulunterricht von Daheim auszudrucken. Beliebt ist auch die montägliche Backaktion, die Zutaten können kostenlos abgeholt werden. „So hat sich gerade ein sehr enger Kontakt mit einer Jugendlichen ergeben, die derzeit einen erhöhten Beratungsbedarf hat“, erklärt Simone Hirz vom Cosi-Team.
Malen, Federball und Hausaufgaben am ABIX
Am Abenteuerspielplatz Hasenbergl ABIX in der Weitlstraße 125 können Kinder vorm Tor Holzstücke bemalen. Alle Holzbilder werden dann zusammengefügt, fotografiert und daraus soll eine Postkarte entstehen. Auch die Holztische und Bänke des ABIX stehen draußen bereit, um mit Farbe gestaltet und verschönert zu werden. Bastelpäckchen für zu Hause enthalten zum Beispiel Wolle und die Anleitung für Freundschaftsarmbändchen, aber auch Rätsel, Spiele und Malvorlagen können die Kinder mitnehmen. Außerdem sind Spiele auf Distanz mit einzelnen Kindern möglich, zum Beispiel Federball.
„Bei allen Aktionen achten wir darauf, die Hygienevorschriften einzuhalten“, erklärt Leiterin Alexandra Kozak. Dabei geht es nicht nur um den Mindestabstand, sondern etwa auch um die Desinfektion der Pinsel nach Benutzung. Neben Kreativität, Spiel und Spaß ist das ABIX-Team auch als Hausaufgabenhilfe via Telefon gefragt. Denn normalerweise bietet die Freizeitstätte mit „Hausix“ eine Hausaufgabenbetreuung an. „Unsere Hausixkinder können unsere Unterstützung gerade gut brauchen“, sagt Kozak.
Im FEZI jetzt früher
Der Kinder- und Jugendtreff am Wettersteinplatz FEZI bietet für sein Beratungsfenster sogar eine Terminvereinbarung über Schulsozialarbeit der benachbarten Grundschule an. Danach können sich die Kids am Fenster zum Ratschen und Spielen treffen. „Die Kinder finden es schön, dass wir für sie da sind“, berichtet FEZI-Leiter Michael Jaschkowitz. „Sie erzählen von zu Hause, berichten von der Schule, wir vereinbaren Lernhilfe-Termine und machen uns schöne Gedanken, was wir machen möchten, wenn wir wieder öffnen“. Auch die Jugendlichen nutzen das Gesprächsangebot und erzählen Jaschkowitz und seinem Team, wie die Prüfungen laufen, was sie nervt oder mit wem sie unterwegs sind.
Während die Jugendtreffs meist erst mittags öffnen, ist die Nachfrage jetzt aber ab 10 Uhr da, schließlich endet dann für viele schon der Unterricht. Das FEZI hat darauf reagiert und ist früher als bisher erreichbar.
Als Clique klappt‘s – in Obermenzing steht das Konzept für die Öffnung
Der Kinder- und Jugendtreff an der Schäferweise in Obermenzing hat die Kinder mit einer Postkartenaktion über seinen Ausleihservice für Spiele, Bücher und Laptops informiert. Seit Anfang April macht das Team täglich Stadteilrundgänge allein oder zu zweit. So treffen sie ihre Stammbesucher, die dann gerne zum Austausch ans Tor kommen, um etwas zu leihen oder auszudrucken. „Die häufigste Frage lautet dabei, wann wir wieder aufmachen“, sagt Elke Fassbender.
Dafür ist sie inzwischen vorbereitet, „wir haben ein Konzept mit Cliquenmodell zur Öffnung unter den geltenden Hygiene- und Abstandsregeln fertig“. Demnach können sich schon bestehende oder neue Gruppen für ein bis zwei Stunden in der „Schäwie“ einbuchen und haben dann die Einrichtung für sich. Die Möbel sind schon dafür umgestellt, „wir können mit Abstand und dem Cliquenmodell starten“, sagt Fassbender.
Jugendtreff Au: Mit Drive-in und Plexiglas
Die Kinder und Jugendlichen des Stadtteils erreicht der Jugendtreff Au vor allem über den Drive-In-Schalter. Neben Austausch und professioneller Unterstützung bieten die Pädagogen dort verschiedene Pakete mit Bastel- und Rezeptanleitungen zum Abholen. „So mussten die Kinder und Jugendlichen nicht selbst in den Supermarkt gehen und sich die Sachen kaufen“, sagt Pädagogin Anna Markhauser. Zu ihren Angeboten zählten auch viele, für die die Kids das Material schon Zuhause hatten. Sie konnten beispielsweise einen Beamer aus einem Schuhkarton basteln. „Der Bedarf der Kinder und Jugendlichen an einem geschützten Freiraum steigt von Woche zu Woche“, sagt Markhauser. Deshalb haben sie und ihre Kolleginnen Plexiglasscheiben angeschafft und einen sorgfältigen Hygiene- und Abstandsplan erarbeitet. „So haben wir drei verschiedene Räume geschaffen, in denen wir sicher mit Kindern und Jugendlichen arbeiten können“, sagt sie.
Trommelkurse in der LOK Freimann in den Startlöchern
Neben dem Spiel- und Sportgeräteverleih und der Beratungsecke im Freien plant die LOK Freimann schon die Wiederaufnahme der beliebten Musikprojekte und des Drum-Kurses. Dazu hat Leiter Eric Schwencke eine „Einbahnregelung“ entwickelt, bei der die Teilnehmenden das Haus über die Feuertreppe am Rückgebäude betreten und über den Hinterausgang verlassen. Am Eingang wird eine Händedesinfektion installiert und zum Betreten und Verlassen der Einrichtung braucht es eine Mund-Nase-Bedeckung. So ist immer nur höchstens ein Teilnehmer im Projekt- oder im Schlagzeugraum. Durch Umgestaltung der Räume kann ein Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten werden. Und damit sich die Teilnehmenden der Kurse nicht mehr begegnen, sind die Kurszeiten um fünf Minuten gekürzt. So kann es jetzt wieder losgehen, nur wie der Gruppenunterricht stattfinden kann, muss noch geklärt werden.
Zaungespräch am ZeitFrei
Von Dienstag bis Samstag können Kinder und Jugendliche im „Drive In“ des Neuperlacher Kinder- und Jugendtreff (KJT) ZeitFrei Spiele und Bastelmaterialien mit Anleitung am Fenster ausleihen. Natürlich werden dabei strenge Hygieneregeln mit Mund-Nase-Bedeckung, Handschuhen, Plexiglasscheibe und Mindestabstand eingehalten. Das wird besonders von Kindern und Teenagern genutzt, der Druckservice für Hausaufgaben und Arbeitsblätter ist auch bei Eltern beliebt.
Von Mittwoch bis Samstag ist eine pädagogische Fachkraft des ZeitFrei mit dem „ZeitFrei-Mobil“, einem Fahrrad, im Stadtteil unterwegs. Sie sucht gezielt Kinder, Jugendliche und bisweilen auch deren Eltern auf, verteilt Umschläge mit Bastelmaterialien und steht als Ansprechperson zur Verfügung. „Das wird sehr gut angenommen und ist bei allen Altersgruppen sehr beliebt!“, sagt Marcel Piekarski vom KJT. Aber auch zum Zaungespräch am ZeitFrei selbst kommen viele Kinder und Jugendliche. „Sie fragen oft nach, wie es bei uns läuft, wie es mit der Einrichtung weitergeht und wann wir denn wieder öffnen“, erzählt Piekarski. Bald kann er ihnen darauf antworten.
Wundertüten vom AKKU
Der Kindertreff AKKU am Agilolfingerplatz bemüht sich sehr um den Kontakt zu seinen Kids. Er schickt ihnen Wundertüten mit Bastelmaterial und -anleitungen zum Nachbasteln oder sogar Geburtstagsüberraschungen per Post. Weil der Garten des Kindertreffs direkt an den Haupteingang der Grundschule grenzt, kann Leiterin Daniela Hensel gut Kontakt zu den Kindern der Schule aufnehmen und Kinder wie Eltern beraten.
Auch im Jugendtreff AKKU in der Lohstraße sind Überraschungstütchen mit Leckereien für die Jugendlichen beliebt. Zum Austausch stehen Zaungespräche, das Plauderfenster und Beratungsspaziergänge entlang des Auer Mühlbachs zur Wahl. Für die öffentliche Aktionsfläche vor dem Jugendtreff können sich die Besucherinnen und Besucher unter anderem Tennisschläger, Springseile, Frisbee, Stelzen, ein Balanceboard oder Jonglierteller ausleihen. Trotzdem bleibt der digitale Austausch wichtig, in den Ferien werden zum Beispiel Qualikurse online angeboten.
Kein Fußball in Neuaubing
„Bei uns laufen recht viele Jugendliche vor der Tür vorbei“, sagt Stefan Hoppe vom Jugendtreff Neuaubing. „Deshalb sind unsere Zaungespräche und die Materialausleihe gut gefragt“. Derzeit plant das Team des Jugendtreffs die nächsten „echten“ Angebote. Lagerfeuer mit Stockbrot und eineinhalb Meter langen Stöcken ist eine Idee, oder sogenannte „Pen-and-Paper-Rollenspiele“, bei denen es nur Stift und Papier als Spielgerät braucht und kein direkter Kontakt nötig ist. „Die Jugendlichen warten richtig darauf, dass wir wieder öffnen“, sagt Hoppe. Vorerst leihen sie sich Kartenspiele wie UNO oder Schafkopf oder auch Federballschläger aus. „Nur Fußbälle geben wir nicht aus, dabei gäbe es zu viel Kontakt!“
Lernkurse für den Quali mit Auflagen
Die Servicestelle Berufsbezogene Jugendarbeit im KJR konnte ihre schon traditionellen Quali-Lernkurse in den Osterferien nur digital anbieten. „In den Pfingstferien sind aber ein Drittel der Kurse schon wieder im Präsenzmodus“, sagt Susanne Glückert von der Servicestelle. Von insgesamt 17 Lernkursen finden also sechs mit persönlicher Begegnung und Betreuung statt. Dabei sind das pfiffTEEN, der Zeugnerhof, das Riva Nord, der Freizeittreff Freimann, das Lerchenauer und das M10City. An den analogen Kursen nehmen 43 Schülerinnen und Schüler teil, unterrichtet von 18 Honorarkräften.
Vor Corona betreute eine Honorarkraft in der Regel vier bis fünf Teilnehmende, jetzt sind es höchstens drei, gleich ob online oder analog. Auch der zeitliche Rahmen ist kürzer gefasst. Statt bisher vier Stunden pro Tag mit einer gemütlichen Mittagspause wird nun drei Stunden ohne gemeinsames Essen und ohne Geselligkeit gelernt. Es gibt weitere Einschränkungen: So wird jede Honorarkraft angehalten, nichts aus der Hand zu geben, sie hat ihre eigenen Bücher zugeschickt bekommen und dazu gibt es für jede Honorarkraft einen verschlossenen Umschlag mit sauberem Geodreieck, Zirkel und Stifte. Aber immerhin kann jetzt auch wieder von Angesicht zu Angesicht gelernt werden.
Lerchenauer: Lernhilfe vorm Haus
Der Freizeittreff Lerchenauer in der Lassallestraße 111 bietet Lernhilfe vorm Haus. Die Jugendlichen machen derzeit ihren Quali und wenden sich meist via Instagram an das Team und bitten um Hilfe. „Per Live-Video-Chat helfen wir soweit es geht oder drucken Materialien aus und geben sie weiter“, sagt Silvia Ober. So wird eben im Freien eine Powerpoint-Präsentation für die Quali-Projektprüfung ausgearbeitet. Auch die Offene Ganztagsschule läuft eingeschränkt bereits wieder im großen Saal, mit Abstand, Mundschutz und Erklärungen statt am Tisch der Schüler übers Whiteboard.
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Fotos auf Anfrage verfügbar. Das Bildmaterial ist in Zusammenhang mit Berichterstattung über die Angebote der Freizeitstätten des Kreisjugendring München-Stadt zur Veröffentlichung freigegeben.
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